Die erste Einschätzung folgte dem ersten Eindruck und fiel saumäßig aus, denn weder die Storyline noch die Charaktere werden ansprechend eingeführt; Spieltiefe und Atmosphäre lassen sich bestenfalls am Horizont erahnen. Nach einem halbseidenen Intro landen die Spieler im ersten Level, nach einem obskuren und nicht näher erläuterten amerikanischen Bürgerkrieg hineingewürfelt.
Seitdem wir dann das erste Level á la Parkour bis zum Horizont durchhielten und sich ein zweiter Eindruck festigte, konnten wir uns zu zweimaligem Durchspielen motivieren.

Dazu trägt zunächst die frische Idee bei, Tomb Raider und Gears of War zu vermischen. Man erhält so ein Adventure-Game in hervorragender Optik (mit, trotz allem, gelegentlich unabgebracht schwachen Texturen) gepaart mit zünftigen Schießereien.
Derer hätten wir uns auch noch viel mehr gewünscht, denn leider ist die Gegnerzahl durchaus minimalistisch – ebenso wie die Cleverness der Gegner. Damit wären wir beim Schwierigkeitsgrad, der uns selbst bei Insane als noch wesentlich (!) zu einfach missfiel.

Etwas Verständnis dafür können die wahrhaft gigantischen Level einbringen: Derart große Strukturen, schöne Gebäude und Landschaften und allgemein weitläufige Areale haben wir auf der Xbox noch nicht gesehen. Endlich einmal wirkt eine digital modellierte Stadt komplett „vorhanden“ – das Level Terra Verte ist ungelogen gigantisch und verleitet ohne Maßnahmen zur Orientierung zum hemmungslosen Verirren in den Weiten und Verwinkelungen der Stadt.
Das Prinzip der Megalevel ergänzt sich, man ahnt es bereits, hervorragend mit den bereits erwähnten Kletterpartien: Alles ist verwinkelt und irgendwie begeh- und erreichbar, vorausgesetzt man weiß wie – den roten Faden durch die Scheinwelt zum Ziel im Auge zu behalten, das ist hier die Ware Kunst. All das verbindet sich hervorragend mit dem bis dato kaum genutzten grafischen Stil Steampunk: Ein Setting aus abgewrackten Fabrikgebäuden und grobschlächtigen Maschinen, anmutend wie aus Zeiten der Industrialisierung. Schön!
Einen Nachteil bringt diese hervorragende, weitsichtige Optik samt Goliath-Leveln jedoch eindeutig mit sich: Die Xbox 360 kommt hier aufs Herrlichste ins Schwitzen, teilweise werden Aiming und Spielspaß durch dünne Wiederholwerte deutlich getrübt – manchmal ist weniger eben mehr.

Mit etwas Zeit findet man sich auch ein klein wenig besser in der Story zurecht, wenn auch der allgemeine Rahmen bis zum bitteren Ende vermisst bleibt. Die Charaktere sind in sich stimmig und harmonieren entsprechend gut oder schlecht. Ebenso verbessert sich die Atmosphäre: Das Endzeit-Gefühl einer am Rande stehenden Kultur und das Böse in Person, Mr Prescott, und sein Unternehmen PSI auf dem Weg zur Weltherrschaft gehen Hand in Hand mit ständig hörbarer PSI-Propaganda.
Der geneigte Spieler mag sich nach nicht viel Spielzeit jedoch fragen, wo denn diese Kultur am Abgrund noch sein soll: Denn außer einer Handvoll herzensguter Protagonisten (natürlich stellt man die todesmutige Partei der für Anständigkeit kämpfenden Rebellen) und ein paar Eimer voller Gegnerhorden samt deren Chef gibt es kein belebtes Gebiet in Damnation: Die Welt scheint größtenteils von Gehirnen jeder Art befreit zu sein. Naja, dafür war die Steampunk-Idee neu…

Die Steuerung ist insgesamt gelungen und ermöglicht sowohl das Absolvieren der teils abenteuerlich lang(wierig)en Kletter- und Wegfindungs-Passagen, wie auch das Überleben der leider recht spärlich gesähten Kämpfe. Dann hilft auch noch eine dank Indianer-Hellseher kurzerhand übertragene Spirit Vision, Gegner auf größte Entfernungen und durch alle Hindernisse durchweg zu erkennen und dem Ganzen so frühzeitig den Wind aus den Segeln zu nehmen. Auch im Multiplayer, vorsätzlich. Früher ™ hätte man Spiele mit integriertem Wallhack nicht akzeptiert. ;-)
Gelegentlich wird die Steuerung von kleineren Bugs überschattet: Hängenbleiben in Ecken, Hinspringen wo nichts ist, Nichtfesthalten wo es sein muss und, selten, reagiert das Fadenkreuz auch einfach garnicht, wenn man es den letzten Millimeter auf den Kopf des bereits wie blöde feuernden Gegners richten möchte…

Alles in allem sind wir von Damnation durchaus positiv überrascht worden, besonders da wir einen billigen Shooter-Aufguss erwartet hatten.
Stattdessen wurden wir mit einem bisher kaum gesehenen Genremix, überdimensional (!) großen Leveln und neuen Grafikideen (Steampunk) überrascht. Das gereicht uns zwar nicht zum Kauf, jedoch zu einer deutlichen Empfehlung: Hier bekommt man für ein paar Euro Leihgebühr ein durchweg gutes Spiel, mit dem wir uns gut 22 Spielstunden lang bespaßt haben (zwei Durchläufe: Hardcore, ca. 16 Stunden & Insane Rush, ca. 6 Stunden…).

(Bilder © XBox360Achievements)

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